Vor zwanzig Jahren war es nur eine formlose Steinformation, die einen einzigen Zweck hatte, nämlich als Damm vor den Kräften des Meeres zu schützen. Heute ist es eine der schönsten Open-Air-Kunstgalerien in ganz Italien.

Wir sprechen von den „Lebenden Klippen“ von Caorle, die wunderschöne Steinbegrenzung aus euganeischen Trachytblöcken, die sich entlang der Küste von der Wallfahrtskirche Madonna dell’Angelo bis zur Piazza del Duomo erstreckt.

Es ist wohl vor allem dem Bildhauer Sergio Longo aus Treviso zu verdanken, dass den Steinen des Dammes Leben eingehaucht wurde; er erkannte als erster das künstlerische Potential dieses Küstenabschnittes. Longo, ein Künstler, der Caorle und seine Geschichte liebte, nahm im Juli 1992 Hammer und Meißel in die Hand und schuf die erste Skulptur der späteren Lebenden Klippen. Er wählte Neptun als Motiv: wer könnte diesen Begrenzungssteinen zwischen Land und Wasser besser Leben einhauchen als der Gott des Meeres höchstpersönlich? Der Bildhauer aus Treviso entschied sich später, Neptun noch eine liebliche Nymphe als Gefährtin zu schenken.

Diese beiden Werke erweckten derart großes Interesse unter Einheimischen und Urlaubern, dass es fast unvermeidlich schien, etwas Größeres zu organisieren und auf die Beine zu stellen, das dank der wichtigen Zusammenarbeit mit Longo im Sommer 1993 zum ersten internationalen Open-Air-Bildhauersymposium bei den „Lebenden Klippen“ führte.

Von 1993 bis heute haben sich Bildhauer aus der ganzen Welt (Irland, Argentinien, Japan, Südkorea, Israel etc.) und natürlich auch aus Italien eingefunden. Gerade unter den italienischen Künstlern möchten wir an einige ganz große Namen wie Licata, Celiberti und Voltolina erinnern, deren Meisterwerke noch heute am Damm bewundert werden können. Die Themen dieser langen Open-Air-Galerie, die mittlerweile aus rund hundert Werken besteht, sind sehr unterschiedlich: sie reichen von der Mythologie bis zur Liebe, von der Natur- und Tierwelt bis zum Metaphysischen, erzählen aber auch vom Leben selbst und den Emotionen der Menschen.