Ob gläubig oder nicht, die berühmte Madonna dell‘ Angelo liegt allen am Herzen: Einwohnern, Touristen und all den Pilgern, die alle fünf Jahre nach Caorle kommen, um ihr zu huldigen.

Weiße und blaue Fahnen zieren die Straßen der Stadt, Bilder der Madonna dell’Angelo hängen auf den Balkonen und an den Fenstern der Häuser, der Fischerhafen ist idyllisch beleuchtet für die „Caorlina Grande“. Spätestens jetzt ist klar, was hier los ist: die Stadt bereitet sich auf das fünfjährige Fest zu Ehren der Madonna dell’Angelo vor, das am Sonntag, den 13. September stattfindet. Ganz Caorle ist in freudvoller Erwartung dieses Ereignisses, das alle fünf Jahre stattfindet und Tausende Gläubige und Schaulustige anzieht, um das “Spektakel” der Wasserprozession zu bestaunen.

Die Ursprünge der Marienverehrung in Caorle reichen weit zurück: die Legende besagt, dass einige Fischer beim Einholen ihrer Netze in unmittelbarer Nähe eine hölzerne Madonnenstatue gesehen haben, die sie in die damals dem Erzengel Michael geweihte Kirche gebracht haben, was auch der Grund dafür ist, dass die Statue seitdem Madonna dell’Angelo (Madonna der Engel) genannt wird. Die Ursprünge der Wasserprozession sind hingegen noch nicht so alt: Im Jahr 1874 wurde das Bildnis der Jungfrau vom damaligen Oberhaupt Venedigs, Giuseppe Trevisanato, gekrönt, und man beschloss, von nun an alle 25 Jahre am 8., 9. und 10. September dieser Feierlichkeit zu gedenken. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte sich der Zeitablauf der Feiern. Als Caorle im zweiten Weltkrieg die Evakuierung drohte, versammelte der Pfarrer Monsignor Felice Marchesan mehr als 10.000 Menschen vor dem Santuario um Maria anzurufen und die Errettung der Stadt vor der Zerstörung zu erbitten. Es wurde im Gegenzug auch ein Gelübde abgelegt: die Restaurierung vom Salz zerfressenen Wallfahrtskirche. Und genau so geschah es: Die Restaurierungsarbeiten wurden 1949 mit einer großen Feier abgeschlossen und es fand auch die erste Wasserprozession dieser neuen Ära statt. In den Jahren 1954 und 1958 wiederholte das damalige Kirchenoberhaupt von Venedig, Angelo Roncalli (der spätere Papst Johannes XXIII) diese Prozession zunächst eingedenk des Marienjahres und danach anlässlich des hundertsten Jahrestages der Erscheinungen in Lourdes. Sein Nachfolger in Venedig, Giovanni Urbani, beschloss gemeinsam mit Monsignor Felice Marchesan, dass die Festlichkeiten von nun an nicht mehr alle 25 sondern vielmehr alle fünf Jahre stattfinden sollten; und genau so wird dies nun von 1965 bis zum heutigen Tag gehandhabt.

Bereits vor dem Fest der Madonna findet in diesen Tagen eine „Wallfahrt“ der Marienstatue durch die verschiedenen Gemeinden von Caorle statt. Es gibt eine Prozession mit dem Simulakrum von der Pfarrei Santa Margherita zur Kathedrale von Caorle, mit einem Halt am Fischereihafen. Die Madonna dell’Angelo bleibt dann bis zum Sonntagmorgen in der Kathedrale, wenn der Patriarch von Venedig das feierliche Pontifikalamt auf der Piazza Vescovado zelebriert. Nach der feierlichen Vesper folgt die Prozession, die die Madonna zum Fischereihafen begleitet, wo sie an Bord der „Caorlina Grande“ geht, die sie mit dem Ruderboot zur Wallfahrtskirche bringt. Auf die Caorlina folgt die Prozession der Fischerboote und aller anderen Caorlotte-Schiffe: Mehr als hunderttausend Menschen verfolgen das Ereignis und drängen sich entlang der gesamten Küste.

Ebenfalls im Zuge der Marienfeierlichkeiten findet am Donnerstagabend, einige Tage vor der Seeprozession wird ein Straßenessen veranstaltet auf der Straße für mehr als 2.000 Personen statt, die an einer riesigen, aus 245 Einzeltischen bestehenden, Tafel, die sich durch die gesamte Altstadt schlängelt, gemeinsam essen und den Abend genießen, so wie in den guten alten Zeiten.